Heidener Kreuzweg

Der Heidener Kreuzweg beruht auf einer jahrhundertealten katholischen Tradition, nämlich der Errichtung von ursprünglich sieben, später meist vierzehn „Stationen“, die an das Leiden Christi auf dem Wege zum Berge Golgota und an seine Kreuzigung erinnert. Heute wird oft eine fünfzehnte Station zur Erinnerung an die Auferstehung Christi hinzugefügt. Die einzelnen Stationen können aus bildlichen oder figürlichen Darstellungen oder einfach aus nummerierten Kreuzen bestehen; der Weg endet meistens, wo das möglich ist, auf einer Anhöhe mit einem Kruzifix: auf einem „Kalvarienberg“.

Die katholische Kreuzweg-Tradition geht auf das 14. Jahrhundert zurück, als der Franziskanerorden in Jerusalem Prozessionen für Pilger auf der Via Dolorosa einrichtete. Von hier aus verbreitete sich diese Andachtsform auch in Europa; später war mit ihr der Erwerb eines Ablasses verbunden. Im Jahre 1731 erhielten die Franziskaner vom Papst das Privileg, Kreuzwege einzurichten. Das ist auch im Hinblick auf den Kreuzweg in der Gemeinde Heiden von Bedeutung, denn dessen Ursprung wird man bei den Dorstener Franziskanern suchen müssen. Die meisten katholischen Gemeinden im Münsterland führen zwar am Karfreitag eine Prozession zu einem Kreuz oder einer Kreuzigungsgruppe durch, doch haben längst nicht alle einen eigens dafür eingerichteten Weg mit Leidensweg-Stationen in Anlehnung an die Jerusalemer Via Dolorasa, idealerweise über eine Länge von 1650 m.

Über die ursprüngliche Anlage des Heidener Kreuzweges gibt es keine schriftlichen Quellen. Hinweise auf eine Jahrhunderte zurück liegende Entstehung geben aber die ältesten verfügbaren Landkarten: So sind auf der sogenannten Lecoqschen Karte von 1805 sieben mächtige Bäume entlang des Uhlenwegs bzw. Kreuzweges etwa ab der heutigen Josefstraße eingezeichnet, und auch spätere Messtischblätter enthalten Hinweise auf hohe Bäume und eine Kapelle. Das Alter dieser außergewöhnlich hohen Schirmkiefern, die paarweise an jeder Station standen, wurde auf etwa 300 Jahre geschätzt. Leider wurden sie im Laufe der Zeit gefällt: die ersten 1885 für das Dachgestühl der neuen Kirche, die letzten kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, um Platz zu machen für die zunehmende Wohnbebauung. Ursprünglich begann der Kreuzweg etwa an der ehemaligen Gastwirtschaft Roring, später dann am Beginn der heutigen Straße Kreuzweg (Einmündung Sachsenstraße), und seit etwa 1970 am heutigen Anfang gegenüber der Straße Auf der Höhe.

Der Hinweis auf die alten Schirmkiefern am Heidener Kreuzweg wird durch die erwähnten älteren topographischen Karten bestätigt. Daher ist die ursprüngliche Anlage des Kreuzwegs Anfang bis Mitte des 18. Jahrhunderts anzunehmen, etwa auf Initiative der Pfarrer Heinrich Kintrup (Pfarrer 1719-1748) oder Franz Lameyer (Pfarrer 1753-1780). Die frühesten Aufzeichnungen und Schriftwechsel zum Kreuzweg finden sich im Heidener Pfarrarchiv, beginnend mit dem Jahre 1860 während der Amtszeit von Heinrich Neuwöhner, Pfarrer von 1859 bis 1867. Sie beziehen sich jeweils auf Renovierungen oder die teilweise Neugestaltung der vorhandenen Kreuzwegstationen. Vermutlich waren um 1860 die einzelnen Stationen, einfache Holzkreuze, aber auch die Kapelle am Ende des Kreuzweges in erneuerungsbedürftigem Zustand. Doch dauerte es noch einige Jahre bis zum Ende des „Kulturkampfes“, bevor Neuwöhners Nachfolger Clemens Blume, Pfarrer in Heiden von 1867 bis 1899, eine Renovierung der Stationskreuze und den Neubau der Kapelle veranlassen konnte: Am 28. September 1885 erteilte das Generalvikariat der Kirchengemeinde die Genehmigung, einen Kreuzweg im „freien Felde“ zu errichten. Es ist das heutige Gebäude, das 1885 anstelle der zuvor dort existierenden älteren Kapelle von den Mitgliedern der Jünglingssodalität mit Feldbrandsteinen erbaut wurde. Die neugotische Architektur der Kapelle folgt einem verbreiteten Muster, wie es sich zahlreich an Bildstöcken, Wegekreuzen und Kreuzwegstationen im Münsterland findet. Betreut wird die Kreuzwegkapelle seit jeher von der Nachbarschaft Ostricker Berg. Die Flurstücke des Kreuzwegs und der Kreuzwegkapelle befinden sich seit 1893 im Eigentum der Kirchengemeinde St. Georg.

Welches Aussehen die Stationen des Heidener Kreuzwegs ursprünglich hatten, ist nicht überliefert – vermutlich waren es weiß gestrichene Holzkreuze und eine Kreuzigungsgruppe, gegen die Witterung geschützt durch eine einfache Kapelle. Das vorhandene alte Kruzifix wurde 1885 ausgetauscht gegen ein Kreuz aus der im selben Jahr abgebrochenen mittelalterlichen Kirche. Der Verbleib des alten Kreuzes ist nicht bekannt.

Im Jahre 1922 beschloss der Vorstand des neugegründeten Heimatvereins die Instandsetzung des Kreuzweges – ein deutlicher Hinweis auf eine inzwischen notwendig gewordene Renovierung, die dann 1927 erfolgte. Dabei wurde die Kreuzigungsgruppe (Kruzifix und Statuen von Maria und Johannes) ausgetauscht. Die bisherigen Statuen waren offenbar sehr alt; sie wurden 1927 an die Nachbarschaft Holthusen in Leblich verkauft und in einer Kapelle am Hof Reppenhorst („Ramäkers Krüüs“) aufgestellt. Leider wurden sie 1975 entwendet. Die neue Kreuzigungsgruppe stammte von dem Borkener Bildhauer Hans Renzel (1904-1958), dem späteren Landrat. Am Karfreitag, dem 15. April 1927, wurde der neugestaltete Kreuzweg mit 14 Kalvarienberg-Stationen von dem Dorstener Franziskanerpater Lambertus Fester OFM eingeweiht – woraus sich ergibt, dass der Franziskanerorden immer noch für die Errichtung von Kreuzwegen zuständig war.

Auf Initiative seines Vorsitzenden Johann Stroick kümmerte sich der Heimatverein Heiden in den Jahren 1966 bis 1970 um die Errichtung neuer Kreuzwegstationen (anstelle der früheren weißen Holzkreuze); die erforderlichen Mittel wurden durch eine Geldsammlung aufgebracht. Mit der Anfertigung der Reliefs für die neuen Stationen wurde der Bildhauer Heinrich Lückenkötter (1903-1985) aus Oelde beauftragt. Die Aufstellung der Reliefs erfolgte an den heutigen Standorten zwischen der Straße Auf der Höhe und der Kreuzwegkapelle. Im Frühjahr 1970 wurden die Stationen in das Eigentum der katholischen Kirchengemeinde übergeben. Pfarrer war damals Clemens Busche (in Heiden von 1958 bis 1979).

Im Jahre 1984 erfolgte unter Pfarrer Franz-Josef Köster eine gründliche Renovierung der Kreuzwegkapelle. Vermutlich ist auch bei dieser Gelegenheit die von Hans Renzel geschaffene Kreuzigungsgruppe durch das heutige Kruzifix ersetzt worden. Der Verbleib von Renzels Kreuzigungsgruppe ist nicht bekannt. Außerdem wurde der kleine, mit barocken Holzschnitzereien verzierte Altar in die heutige nüchterne Form gebracht und das Dach mit Ziegeln neu eingedeckt. 1997 wurde die Kapelle von Malermeister Ludger Böckenberg renoviert, im Juni 2021 wurde die Ausmalung erneuert.

Prof. Ludger Kremer